Expedition Kanelbullar: Letzte Schritte

Wir haben es geschafft! Nach 127 Tagen und 2261 Kilometern haben wir unser Ziel erreicht! Am 6. November erreichten wir Mora und somit das Ende unserer Wanderung, deutlich später im Jahr als ursprünglich geplant.

Diese letzte Etappe unserer „Expedition Kanelbullar“ hat uns auf bestens markierten Wanderwegen und über Forststraßen durch eher einfaches Gelände geführt. Eine gute Art, diese lange Wanderung ausklingen zu lassen und schön langsam in zivilisiertere Gefilde zu kommen. Auch die zunehmend kurzen Tage, an denen es oft nicht leicht war unser Tagesziel noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen, haben das Gefühl verstärkt, dass jetzt ein ganz guter Zeitpunkt ist um mit dem Wandern aufzuhören. Gleichzeitig waren wir aber auch froh darüber zu dieser Jahreszeit noch unterwegs sein zu können, den Schnee, die Stille und Einsamkeit zu genießen. An den langen, kalten Abenden haben wir die Gemütlichkeit der vielen (unbewirtschafteten) Hütten und die wohlige Wärme eines prasselnden Feuers besonders genossen.

Grövelsjön bis Mora, 22. Oktober bis 6. November

Nach Grövelsjön beginnt der Wald. Während unserer bisherigen Wanderung war dichter Wald ein seltener Anblick, ab hier wird er zur Gewohnheit. Wir freuen uns über weiche Waldwege zu wandern. Bald jedoch knirscht es unter unseren Schuhen, der Boden gefriert und das weiche, feuchte Moos nimmt eine eigentümliche Konsistenz an. Am zweiten Tag ist der Wald von einer dünnen Schneeschicht bedeckt, die im Sonnenlicht glänzt und funkelt. Wir beobachten wie der Winter langsam seinen Mantel über dem Land ausbreitet, wie die Tage deutlich kürzer werden und die Sonne an Kraft verliert.

Im Fulufjället geht es für uns noch ein letztes Mal hinauf in die Berge, bevor wir endgültig in den Wald hinabsteigen. Wir kommen noch einmal über die Baumgrenze und wandern durch eine weite verschneite Landschaft, wo der Blick ungehindert in die Ferne schweifen kann. Aber noch viel schöner als diese Aussicht ist, dass wir dort auch Mimis Cousine Ida und ihre Familie wiedersehen! Für die vierköpfige Familie (ihre Kinder sind 1 und 4) ist es eine ganz schön große Unternehmung zu uns zu kommen und uns ein Stückchen auf unserer Wanderung zu begleiten. Umso mehr freuen wir uns, dass sie trotz komplizierter Logistik und eher bescheidener Wetterprognose die Anstrengung auf sich genommen haben ein Wochenende mit uns zu verbringen. Wir übernachten gemeinsam in einer richtigen Berghütte, kochen, tratschen, lachen, gehen in die Sauna und backen improvisierte Kanelbullar! Außerdem statten wir „Old Tjikko“ einen Besuch ab: eine beeindruckend unspektakuläre Fichte, die mehr als 9500 Jahre auf dem Buckel hat und somit als der älteste lebende Baum der Welt gesehen werden kann.

Am südlichen Ende des Fulufjället ändern wir unsere Pläne, wie so oft auf dieser Wanderung passen wir unsere Route kurzfristig an das Wetter an. Es ist starker Schneefall vorhergesagt und wir beschließen daher unseren Weg im Tal über Forststraßen fortzusetzen. Von Grövelsjön hierher sind wir dem sogenannten Südlichen Kungsleden gefolgt. Den Hüttenbüchern entnehmen wir, dass dieser Wanderweg im Sommer beinahe ausschließlich von Deutschen gegangen wird, während im Winter Scooterfahrer aus Skandinavien dominieren. Nun, Ende Oktober, ist der Weg fest in den Händen von zwei österreichischen Wanderern – wir treffen sonst niemanden. Der Schnee kommt wie vorhergesagt in großer Menge und wir sind froh im Tal unterwegs zu sein. Es wirkt als hätte der Winter nun endgültig Einzug gehalten. Doch als wir Sälen erreichen, bringen Plusgrade den Schnee wieder zum Schmelzen.

In Sälen beginnt der allerletzte Abschnitt unserer Wanderung. Hier startet jedes Jahr im Februar der traditionelle Vasaloppet, ein über die Grenzen Schwedens hinaus bekannter Langlaufwettbewerb. Die 90 km Strecke führt von Sälen nach Mora und ist inspiriert von der geschichtsträchtigen Flucht und Rückkehr des späteren schwedischen Königs Gustav Vasa im Jahr 1520. Entlang der Vasalopps-Rennstrecke gibt es auch einen Wanderweg, den Vasaloppsleden, dem wir folgen wollen. Unsere finalen (grob) 90 Kilometer sind einfach und dank der vielen Übernachtungshütten entlang des Weges auch gemütlich. Etwas Herausforderung bringen die nun schon sehr kurzen Tage, um 16:30 ist es finster. Wir freuen uns sehr über die Hütten, in denen wir an einem warmen Ofen die langen Abende verbringen können. Wir können oft nebeneinander gehen und lassen dabei die vergangen vier Monate Revue passieren.

Für unseren allerletzten Wandertag haben wir uns 11,5 einfache Kilometer aufgehoben. Der Wald ist in dicken Nebel gehüllt und ab und zu nieselt es etwas, das richtige Wetter um mit dem Wandern aufzuhören. Wir gehen auf breiten Forstwegen, die Rucksäcke sind angenehm leicht und wir kommen bei guter Laune schnell voran. Es ist erst 11 Uhr als wir den Turm der großen Kirche im Zentrum von Mora erblicken und wissen: es ist nicht mehr weit, bald werden wir es wirklich geschafft haben! Wir lassen uns aber noch etwas Zeit, bevor wir durch das Vasaloppet-Zieltor spazieren und somit das „offizielle“ Ende unserer Expedition Kanelbullar erreichen. Zuerst statten wir der Buchhandlung einen Besuch ab (herrlich in Büchern zu blättern!) und dann verbringen wir einige gemütliche Stunden im Café Zorn, wo wir uns an einem großartigen Mittagessen und – wie könnte es anders sein – Kanelbullar erfreuen.

Kurz bevor es dunkel wird, gehen wir noch die letzten Schritte bis zum Vasaloppet-Zieltor. In den letzten Tagen hatten wir viel darüber geredet wie es wohl sein wird, mit dem Wandern aufzuhören und es hatte sich schon eine gewisse Melancholie eingestellt, aber in diesem Moment sind wir einfach nur glücklich. Ganz fassen können wir es nicht, dass wir tatsächlich den ganzen Weg vom Nordkap hierher gegangen sind, aber als wir über die Ziellinie hüpfen, macht sich eine Mischung aus Übermut, Stolz und Erleichterung breit. Woohoo!

Das Zieltor des Vasaloppets: „In den Spuren der Väter, Für die Siege der Zukunft“

Von diesem „offiziellen“ Endpunkt unserer Wanderung sind es noch etwa 2,5 km durch den Nachmittagsverkehr von Mora bis wir das Haus, in dem Mimis Cousine mit ihrer Familie wohnt, erreichen. Wir werden mit offenen Armen und der für diese Familie so typischen Herzlichkeit empfangen und wissen: jetzt sind wir wirklich im Ziel angekommen!

Wie geht’s weiter? Unsere Expedition Kanelbullar ist an ein Ende gekommen. Die nächste Herausforderung wird sein uns wieder an ein sesshaftes Leben zu gewöhnen. Wobei Annehmlichkeiten wie ein warmes Bett, gutes Essen, fließendes Wasser, elektrisches Licht und geheizte Räume diese Herausforderung durchaus reizvoll erscheinen lassen! Wir reisen nun langsam Richtung Österreich mit Zwischenstops in Stockholm, Berlin und München. Obwohl wir viele Ideen für weitere Abenteuer haben, zieht es uns nun schon sehr nachhause. Wir freuen uns schon riesig unsere Familien und Freunde wiederzusehen!

10 Gedanken zu „Expedition Kanelbullar: Letzte Schritte“

  1. Gratuliere Mimi und Martin! Tolle Leistung! Ich freue mich schon auf Eure Erzählungen. Vielen Dank für die immer spannenden und schönen Bilder und Schilderungen. Liebe Grüße aus Wien, Georg

  2. Liebe Mimi, lieber Martin, mit großer Spannung und Freude sind wir euch durch die Expedition Kamnebullar gefolgt, auch wenn euer Newsletter mitten in der Nacht kam sind wir aufgestanden haben uns eine Tasse Tee gemacht und haben nachgesehen wo ihr gerade seid. So ein großartiger weg und so ein wunderbarer Bericht. Wir freuen uns auf euch in Wien und Staudach, Umarmung und Gratulation Jacqueline und Peter

  3. Gratuliere!
    Das habt Ihr toll gemacht!
    Dank der professionellen Berichterstattung konnten wir couch potatoes alles miterleben, in der warmen, trockenen Wohnung ist es auch leicht, mitzufrieren und an der Regennässe Anteil zu nehmen ;-))
    Das Zelt, rundum verschneit, hat mich besonders beeindruckt.
    Ich denke, Eure follower sind alle erleichtert, dass außer kaputten Wanderschuhen nicht viel Gravierendes passiert ist (die Mutter in mir fragt natürlich: „Ihr habt uns doch nichts verschwiegen?“)…
    Kommt gut zurück, ich meine nach Wien, nicht nur in die fremd gewordene Zivilisation, dafür braucht Ihr wohl noch ein „Debriefing“, und irgendwann habt Ihr Zeit und Lust, uns noch mehr zu erzählen.
    Darauf freue ich mich schon jetzt
    Alles Liebe
    Brigitte

  4. Hallo Mimi und Martin,
    Ihr habt es sehr spannend gemacht, habe schon lange auf euren letzten trail blog entry gewartet. Glückwunsch! Was für eine Tour! Wo haben wir uns eigentlich getroffen? Noch auf dem Nordkalottleden? Oder auf dem Kungsleden? However, so ein long distance trail kam mir vor wie ein ganz dicker Wälzer, den man nicht aus der Hand legen kann, bis die letzte Seite gelesen ist. Und dann kann man nicht erwarten, dass der Folgeband erscheint. Es gibt so viele Wege … Euch god tur – auch im Alltag.
    Herzlichen Gruß
    Michael

  5. 🎇Juchuu!!!!! Es ist geschafft!!!!! Gratulation!!!!!
    Ich wünsche euch viel Durchhaltevermögen, das Leben in der „Normalität“ wieder auszuhalten. Liebe Grüße von Gabi

  6. Liebe Mimi, lieber Martin,
    wollte euch schon immer schreiben, als ich euren Blog streckenweise verfolgte, aber nun auf jeden Fall: Gratulation zu der tollen Leistung und zur grandiosen Schilderung eures erlebnisreichen Abenteuers. Ist einzigartig.
    Wir sind gerade zurück von unserer 5. Wanderung, insgesamt nur 3000 km und das seit 2012 und in warmen, komfortablen Gegenden. Geniesst nun auch die angenehmen, komfortableren Tage und wir wünschen euch ein gutes Ankommen und Heimkehren in Wien, mit lieben Grüßen Elisabeth und Theo

  7. Gratulation (nochmals)! Bin schon gespannt wie das ist das nächste mal mit Level 26 Wanderern zu wandern 🙂

    Ich nehme zudem an ihr habt die Zeit der Wanderung genutzt und seid nun in der Lage alle philosophischen Fragen größeren Gewichts allen Anforderungen zur Genüge zu beantworten. Bitte enttäuscht und nicht mit einer Ausrede Ala ‚wir haben nicht mitgeschrieben‘ 🙂

  8. Wahnsinn, ihr seid die Größten! Gerhard hat uns heute von eurer grandiosen Unternehmung berichtet. Und wir waren im Sommer in Oxford und sind durch die Universitätshöfe geschlichen in der stillen Hoffnung euch zufällig irgendwo über den Weg zu laufen, dabei seid ihr längst weite gezogen, wie sich das gehört!!! Wir bewundern euch und freuen uns für euch,
    die klettis aus Wien 🙂 und 🙂
    Ps: Erzählt Gerhard nicht, dass der Kletti gar nicht Jürgen heißt! Das würde ihn fertig machen… 😉

  9. Liebe Extremwanderer!

    Wir gratulieren Euch aus ganzem Herzen zu dieser Glanzleistung und zu dem Durchhaltevermögen. Noch wichtiger erscheint uns aber, dass Ihr nicht nur das gesteckte Ziel nach mancher Entbehrung erreicht habt, sondern dass Ihr diese gigantische Unternehmung auch in vollen Zügen genossen habt!
    Wir sind stolz, dass wir solche Idealisten unsere Freunde nennen dürfen.
    Nehmt Euch bitte für uns einmal ein bisschen Zeit- wir würden uns sehr freuen!

    Hannes und Roswitha Wruß.

  10. M&M,
    you are so inspiring!! I travel vicariously through you.
    I’m toying with a trip to Europe in March. Maybe we can meet up.
    big hugs,
    Michelle

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