Expedition Kanelbullar – Ein Blick zurück

Vor etwas mehr als zwei Monaten sind wir durch das ikonische Vasaloppstor in Mora spaziert und am Endpunkt unserer langen Wanderung angekommen. In dem Moment waren wir glücklich, verwirrt und aufgeregt. Etwas Großes geht zu Ende und – notwendigerweise – etwas Neues beginnt.

Wir wollen nun mit ein bisschen Abstand auf unsere Wanderung zurückblicken und die vielen Kilometer zu wenigen Fakten zusammenfassen. Wie schon bei der Zusammenfassung unseres Winterabenteuers gibt es zuerst Zahlen und dann ein Best-Of in Worten. Natürlich werden wir dabei scheitern unsere große Wanderung (für uns) befriedigend zusammenzufassen, aber was soll’s – einen Versuch ist es wert!

Zahlen und Fakten

  • 2261 km
  • 127 Tage
  • 81 Tage mit Sonnenschein (irgendwann am Tag), also 46 Tage, an denen wir die Sonne nicht gesehen haben
  • 66 Tage mit Regen, 52% der Tage
  • 10 Tage mit Schneefall
  • 8 Rasttage (0 km zurückgelegt)
  • 33 kurze Wandertage (15 oder weniger Kilometer gewandert)
  • 68 Zeltnächte
  • 34 Hüttenübernachtungen
  • 7 Übernachtungen in Fjällstationen vom STF
  • 17 sonstige Übernachtungen (Herbergen, Hotels, Campingplatzhütten)
  • 3 Länder (Norwegen, Finnland, Schweden)
  • 18 Mal Tortellini mit Tomatensauce
  • etwa 600 Menschen, denen wir unterwegs begegnet sind
  • 4 Mitwanderer: Stefan und Julia (geplant, die ersten 3 Wochen), Daniel (am Nordkalottleden getroffen) und Nele (am Kungsleden getroffen)
  • etwa 2000 Rentieren, denen wir unterwegs begegnet sind
  • 454 geschriebene Tagebuchseiten, also 3,6 Seiten pro Tag

Ein Best-of Expedition Kanelbullar

Längster Wandertag: 31km. Ein langer Tag entlang von nicht endenwollenden Forststraßen. Aber just an dem Tag erreicht uns die Nachricht, dass Martins Forschungsprojekt genehmigt worden ist. Diese äußerst erfreuliche Nachricht gibt einen großen Energieschub!

Kürzester Wandertag: 1. August, 2km. Nachdem wir in einer Nachtwanderung Treriksröset erreicht haben, streikt Mimis Körper. Selbst zwei Kilometer sind in der schwülen Hitze eine große Anstrengung. Am nächsten Tag, nach einem gewaltigen Gewitter, geht es wieder gut voran.

Kälteste Zeltnacht: -5 Grad am 25. Oktober. Vielleicht war es auch kälter – wir hatten kein Thermometer dabei. Wir schlafen gut, aber in der Früh sind unsere Schuhe steif gefroren. Es dauert einige Zeit bis wir beim Gehen unsere Schuhe aufgetaut haben.

Höchster Punkt: 1200m in der Nähe von Skalmodal. Für Alpenwanderer ist das natürlich wenig spektakulär (in den Alpen wäre auf der Höhe wohl der Parkplatz zur Seilbahn), aber wir waren damals ganz froh diesen Punkt erreicht zu haben. Denn der Weg war schwierig zu folgen und die felsige Landschaft in dichten Nebel gehüllt. Der tiefste Punkt unserer Wanderung war übrigens auf 0 Meter Seehöhe, an der Barentssee in Nordnorwegen.

Den höchsten Punkt haben wir hier gerade hinter uns.

Herzlichster Empfang: Inmitten der einsamsten Gegend, durch die wir gewandert sind, liegt das kleine Örtchen Jännsmässholmen. Dort wohnen 25 Personen, großteils Rentierzüchter. In diesem Örtchen liegt ein Hotel, in dem Anna arbeitet, die im Jahr zuvor Gröna Bandet gewandert hat und sich in die Gegend verliebt hat. Obwohl wir weder Anna noch die Hotelbetreiber zuvor gekannt haben, wurden wir wie Familie empfangen und bekocht.

Wir freuen uns über ein großartiges Abendessen

Bestes Essen: Mimi hat zu ihrem Geburtstag eine Einladung für ein Abendessen im Restaurant der Fjällstation Abisko bekommen. Ein Festmahl mit einem Elch-Steak als Hauptspeise! Dazu ein Glas Grüner Veltliner aus dem Kamptal. Nach 700 Wanderkilometern so ein feines Essen bei Kerzenschein (in semi-sauberer Wanderkleidung) zu genießen, war ein Luxus, der Louis XIV. begeistert hätte (wäre er Weitwanderer gewesen).

Bestes selbst-gekochtes Essen: Nach zwei Wochen unterwegs mit unseren Freunden Stefan und Julia sind wir am 17. Juli zum ersten Mal wieder in der Zivilisation, im winzigen Ort Masi. Dort betreibt Ove einen kleinen Supermarkt, bei dem wir Proviant für die nächsten Tage einkaufen. Beim Abendessen lassen wir es uns an diesem Tag besonders gut gehen: Es gibt faschierte Laberl mit Erdäpfelpüree, das Bratensaftpulver hatten Stefan und Julia noch aus Österreich mit. Mmmh!

Beste Entscheidung: Im Lierne Nationalpark trotz Wintereinbruch nicht umzukehren, sondern die Alternativroute Richtung Norwegen zu wagen. Es folgte ein anstrengender, herausfordernder Tag, aber die Mühe war es allemal wert. Dieser Tag und diese Entscheidung waren vermutlich das Schlüsselerlebnis unserer Tour und gleichzeitig die größte Herausforderung, der wir begegnet sind.

Nach mehr als 24 Stunden Warten und Zweifeln lachen wir wieder.

Bestes selbst-getrocknetes Obst und Gemüse: Während unserer Inselzeit im Mai und Juni haben wir uns intensiv mit der Vorbereitung unseres Proviants beschäftigt, eigenes Fertigessen zusammengestellt und diverses Obst und Gemüse mit einem Dörrapparat getrocknet. Das meiste davon hat gut funktioniert, aber besonders angetan waren wir von getrockneten roten Rüben und getrockneten Spitzpaprika. Auch großartig: die getrockneten schwarzen Ribisel, die wir von Martins Mama bekommen haben!

Eines unser Rote Rüben-Gerichte: Schnellkochende Maccheroni, rote Rüben, Walnüsse und viel Käse

Praktischster Ausrüstungsgegenstand: Dass es praktisch ist ein Innenzelt dabei zu haben, liegt irgendwo auf der Hand: man hat einen trockenen Zeltboden, auch bei starken Regenfällen kommt von unten kein Wasser ins Zelt und man ist vor Gelsen geschützt. Aber, dass wir uns so über unser Innentarp freuen würden, hätten wir nicht gedacht. An Tagen mit besonders viel Gelsen haben wir es nämlich auch in Pausen aufgebaut – das dauert etwa 2 Minuten – und haben es sehr genossen nicht nur eine Geh- sondern auch eine Gelsenpause einlegen zu können.

Eine gemütliche Kaffeepause

Steilster Anstieg: Am Abend des 25. Juli beschlossen wir, angeregt durch einen Eintrag im Hüttenbuch der kleinen Vuomatakkagammen, das Reisa-Tal querfeldein zu verlassen und westwärts über die steile Felswand auf das etwa 300 m höher gelegene Plateau zu kraxeln. Das war definitiv der steilste Anstieg der ganzen Tour und mit unseren großen Rucksäcken teilweise ganz schön herausfordernd. Vor allem aber war dieses Hinausklettern aus dem Tal aufregend, da wir nicht wussten ob wir nicht vielleicht an eine hohe Felswand stoßen würden und umkehren müssten. Aber wir hatten Glück und konnten einen Weg hinauf finden. Auf der anderen Uferseite hatten wir dabei immer den rauschenden Mollisfossen im Blick, mit 140 m Fallhöhe der höchste Wasserfall Norwegens.

Schlimmster Gelsentag: Am ersten Tag nach Kautokeino sind wir in eine schwüle Sumpfhölle geraten, wo Gelsen, Knott und andere Mückenarten gerne ihren Sommerurlaub verbringen. Mit Regenjacke, Gelsennetz und Handschuhen sind wir stundenlang schwitzend durch das Moor gestapft. Es wird noch ein bisschen dauern bis wir nostalgisch behaupten werden, dass auch dieser Tag ein Vergnügen war.

Schwierigste Flussüberquerung: Im Sarek-Nationalpark hatten wir bei Flussüberquerungen kein Glück. Einerseits war durch starke Regenfälle das Wasser tiefer und reißender als gewöhnlich und andererseits war uns durch den ständigen Regen schon vor den Querungen ziemlich kalt. Die zweite Flussüberquerung war dann unter diesen Bedingungen einfach zu viel und wir entschlossen uns schweren Herzens Sarek wieder zu verlassen.

Im trüben Gletscherwasser sieht man nicht den steinigen Boden des Suottasjjåhkå.

Beste Badestelle: In Nordnorwegen haben für zwei Wochen am Rande die Hitzewelle miterlebt, die Europa den ganzen Sommer lang schwitzen hat lassen. Mit Temperaturen von über 30 Grad erlebten wir ein Sommerwetter, dass so weit nördlich eine absolute Ausnahme ist. Und um dieser Hitze zu entgehen, haben wir jede Bademöglichkeit genutzt. Beste Badestelle? Ein flacher, warmer See mit Sandstrand – siehe unten.

Beste Kanelbullar: Wir haben die Geschichte schon erwähnt, wie wir mitten im Wald völlig unerwartet auf Kanelbullar eingeladen wurden – und das am schwedischen Kanelbullartag (4. Oktober). Ohne Zweifel waren diese ausgezeichneten Kanelbullar die besten, die wir auf unserer Reise gegessen haben. Unser großzügiger Gastgeber hat uns sogar noch eine Extra-Portion Kanelbullar mitgegeben, die wir (streng rationiert) noch die folgenden Tage genossen haben.

Bester Luxusgegenstand: Während unserer Wintertour haben wir die Vorzüge von einer nachmittäglichen Kaffeepause erkannt und in unseren Touralltag integriert. Im Winter begnügten wir uns mit Löskaffee (schmeckt in der Wildnis auch gut), aber für unsere lange Wanderung wollten wir uns ein bisschen mehr Luxus gönnen. Nach einigem Suchen (inklusive teuren, extravaganten Kaffeemaschinen für unterwegs) haben wir ein minimalistisches Wunderwerk gefunden: ein wiederverwendbarer Kaffeefilter! Mit dem gab es täglich frisch gebrauten Filterkaffee – Wanderluxus pur!

Bester Wanderpartner: Eigentlich hat es sich ja schon bei unseren bisherigen Unternehmungen herauskristallisiert: Martin ist der beste (Wander-)Partner, den ich mir vorstellen kann. Motiviert unser Ziel zu erreichen und gleichzeitig bereit spontan Planänderungen zu machen. In brenzligen Situationen besonnen und ruhig. Meister im Zeltaufbauen und sturmsicher mit großen Steinen beschweren. Belastbar, ausdauernd, optimitsich, abenteuerlustig und nie schlecht gelaunt. Toller Gesprächspartner und Kaffeepausen-Genießer. Schätzt meine Beeren-Sammelleidenschaft und meine Trockenessen-Experimente. Ich kann mir keine bessere Wanderbegleitung vorstellen!

Beste Wanderpartnerin: Unserer Wanderung hat es sicher nicht an Herausforderungen gemangelt. Und bei wirklich jeder Herausforderung, egal ob eiskalte Flussdurchquerung bei Schnee oder tagelanges Waten durch Moore, ist Mimi ohne zu Zögern weitermarschiert, ohne Beschwerde und ohne unser großes Projekt in Frage zu stellen. Wir wurden manchmal gefragt, wer von uns beiden die Idee für die Expedition Kanelbullar hatte und die einzig richtige Antwort ist: beide. Wir haben zusammen den Plan entwickelt und beide zu 100% daran geglaubt. Wenn ich ins Straucheln gekommen bin (weil ich nicht mehr konnte oder einfach todmüde war), hat Mimi meine Aufgaben übernommen und sich zum Beispiel allein um die Zelttätigkeiten am Abend gekümmert. Meine (männlichen) Wanderfreunde in Ehren, aber ich bin nicht sicher, ob sie die gleiche stoische Unbeirrbarkeit, Überzeugung und Ausdauer aufbringen hätten können. Ich bin stolz auf dich, Mimi! Danke für die Tour!


Für alle, die mit dem Gedanken spielen selbst Gröna Bandet zu wandern, haben wir unsere Erfahrungen in einem eigenen Beitrag zusammengefasst. Ausnahmsweise ist dieser auf Englisch verfasst, um ihn einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen.

3 Gedanken zu „Expedition Kanelbullar – Ein Blick zurück“

  1. Ich beneide euch um diese Wanderung, auch wenn ich sie wahrscheinlich nie in Angriff genommen hätte oder ernsthaft daran gedacht habe. Freue mich, dass alles gut gegangen ist. Auch wenn ich alle eure Berichte mit Begeisterung verfolgt habe, müsst ihr mir bei Tortelini mit Tomatensauce alles noch einmal erzählen. Liebe Grüße, Peter

    1. Na bei Tortelini mit Tomatensauce können wir nicht nein sagen! Im Ernst: gerne! Wobei wir festgestellt haben, dass es gar nicht so leicht ist von der Wanderung zu erzählen – wo soll man beginnen zu erzählen? Liebe Grüße, Mimi und Martin

  2. Hi ihr zwei! Da bin ich in Erinnerungen an den Norden grad über euren Blog gestolpert und bin ganz begeistert, dass ich hier als Teil eures Abenteuers festgehalten wurde. Was ihr noch alles erlebt habt und euch nicht mal Schnee und Frost euren Mut und Heiterkeit nehmen konnten. Irgendwann müsst ihr mal ein Kochbuch über kreative und leckere Kost auf Wanderwegen veröffentlichen, ich würd’s mir holen 😉 Liebe Grüße, Nele

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