Eigentlich kommt es mir etwas komisch vor euch Geschichten von Abenteuern, die wir in letzter Zeit in unserer kleinen heilen Welt erlebt haben, zu berichten, wenn gerade ganz Europa über den Brexit diskutiert. Aber was kann ich zurzeit Konstruktives zur Debatte beitragen? Ich bin schlicht und einfach schockiert, traurig und verunsichert. Gerade in so einer Situation allgemeiner Aufgeregtheit und Unsicherheit ist es aber vielleicht auch gut zu wissen, wie man sich für ein paar Stunden oder Tage aus dem Alltag ausklinken und in eine andere, ruhige und einfache Welt flüchten kann. Und diese Ruhe hilft natürlich dabei Gedanken zu ordnen und das Erlebte zu reflektieren.
Außerdem denke ich, dass Wertschätzung für Natur und das einzigartige Gefühl von Freiheit, wenn man draußen unterwegs ist, sehr verbindend wirken können – zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, sozialen Schichten, Altersgruppen und Religionen. In diesem Sinne möchten wir euch zwei Microadventures vorstellen, die England mit Österreich verbinden.
Aber fangen wir einmal von vorne an: Alastair Humphreys, britischer Abenteurer-Autor-Blogger-Filmemacher, der uns schon zu vielen Unternehmungen und Träumen inspiriert hat, hat zur großen Sommer-Microadventure-Challenge aufgerufen. Die Great British Summer Microadventure Challenge hat uns Outdoor-Verrückte und Natur-Liebhaber dazu aufgerufen auf kleine Abenteuer zu gehen und im Freien zu übernachten. Ziel war es, bis Ende Juni in jedem britischen County und in möglichst vielen Ländern dieser Welt zumindest ein im Internet dokumentiertes Microadventure zu haben. Das Ergebnis könnt ihr hier sehen – ganz ist das Ziel nicht erreicht, aber es sind viele tolle motivierende Geschichten – zum Teil mit wunderschönen Fotos – entstanden. Aber seht selbst!
So eine Einladung ist für uns jedenfalls genau das Richtige, also haben wir beschlossen im Juni gleich zwei Mal eine Nacht im Freien zu verbringen – einmal in England und einmal in Österreich. Also: #MicroadventureChallenge #Oxfordshire und #MicroadventureChallenge #Austria !
Vollmondnacht in der Nähe von Oxford
An einem Freitag Abend beschlossen wir, den eher pessimistischen Wetterbericht und meine – ein nahendes Gewitter verheißenden – Kopfschmerzen zu ignorieren, haben unsere Sachen gepackt, uns auf die Räder gesetzt und sind aus Oxford raus geradelt. Mit Kopfschmerzen in der Natur zu sein und ein kleines Abenteuer zu erleben ist immer noch besser als nur zuhause am Sofa herumzuliegen und sich selbst leid zu tun, oder? 😉 Schon bald hatten wir den Abendverkehr und das hektische Treiben hinter uns gelassen, kleine Landstraßen führten uns in eine leicht hügelige, herrlich grüne und ruhige Landschaft hinein.
Nach kurzem Radeln haben wir unsere Räder am Straßenrand abgestellt und begonnen, uns nach einem geeigneten Schlafplatz umzusehen. Eigentlich wollten wir diesmal ganz ohne Zelt draußen schlafen, aber da Regen angesagt war, hatten wir die Idee unser Tarp als Schutz auf einem Baum zu befestigen und uns darunter zu legen. Das hat erstaunlich gut funktioniert! Hier ein paar Bilder von unserem Ausflug:
In der Nacht hat es zwar um uns herum gewittert, aber der vorhergesagte Regen ist bei uns ausgeblieben und hat wieder einmal bestätigt, dass man den Wetterbericht hier nie allzu ernst nehmen sollte! Nach einem gemütlichen Frühstück mit selbst gebackenem Brot, Marmelade von Martins Mama und herrlicher Aussicht in ein Getreidefeld haben wir uns wieder auf den Weg nachhause gemacht. Vorher noch alles zusammenpacken und dafür sorgen, dass wir alles so hinterlassen, wie wir es vorgefunden hatten:
Auf dem Weg nachhause haben wir noch fleißig Hollerblüten gepflückt und diese dann zu Hollerblütensirup verkocht. So bleibt uns der Geschmack des Sommers hoffentlich noch eine Weile erhalten!
Verwendet habe ich dafür dieses Rezept hier, wobei ich statt Zucker + Zitronensäure englischen Einmachzucker + etwas mehr Zitronen verwendet habe. Schmeckt sehr fein!
Eine Nacht voller Überraschungen am Bisamberg
Ende Juni waren wir zu einer – großartigen, lustigen und einzigartigen – Mittelalter-Fantasy-Hochzeit im Burgenland eingeladen. Unser Flug ging erst wieder am Montag Nachmittag zurück, also hatten wir eine Nacht ganz ohne Programm! 😉 Diese Gelegenheit wollten wir nützen um ein österreichisches Microadventure – endlich einmal wieder mit Kiwi! – zu erleben und dabei eine Idee umzusetzen, die wir schon länger hatten: Von Martins Eltern in Korneuburg über den Bisamberg nachhause nach Wien zu spazieren und unterwegs zu übernachten. Gesagt, getan!
Diese Nacht am Bisamberg hat ein paar Überraschungen für uns bereitgehalten. (Es folgt etwas Gejammere und eine Warnung, netter und positiver wird es wieder beim Sonnenaufgangsbild)
Erstens: Wenn in Österreich Hochsommer ist, gibt es Gelsen. Eigentlich nicht sonderlich überraschend, aber wir hatten hier in England ganz vergessen, dass es diese lästigen Tierchen überhaupt gibt. Komsich eigentlich, aber wir hatten hier bisher überhaupt keine Gelsen. Viel schlimmer noch als das Gestochen-Werden (ich bekomme immer riesige, stark juckende Dippel, die ich so lang kratze bis sie zu bluten beginnen – ich weiß, keine gute Idee!), ist das schreckliche hohe Summen, das Gelsen machen, wenn sie sich meinem Ohr nähern…
Zweitens: „Eichen sollst du weichen.“ Nicht etwa, weil Buchen bei Gewittern besseren Schutz bieten, sondern weil Eichen oft von Eichenprozessionsspinnern bewohnt werden. Und das sind noch lästigere Tierchen! Diese haben, wenn sie im Raupenstadium sind, lange feine Brennhaare, die Giftstoffe enthalten, und können zu allergischen Reaktionen, argen Hautreizungen und Atembeschwerden führen. Keine Angst, all das ist uns nicht passiert! Aber als wir es uns gerade unter einem Eichenbaum – ein perfekter Schlafplatz mit ebener Wiese, perfektem Regenschutz in Form einer dichten Baumkrone und sogar einem Picknicktisch – bequem gemacht hatten, kam mir der Gedanke „Sind da eh keine Eichenprozessionsspinner?“. Ein kurzer Kontrollgang mit Taschenlampe offenbarte leider tatsächlich ein Eichenprozessionsspinner-Nest, wir haben also so schnell wie möglich unsere Sachen zusammengepackt und begonnen einen neuen Schlafplatz zu suchen.
Über Eichenprozessionsspinner wissen wir eigentlich nur deshalb Bescheid, weil wir diese Raupen vor einigen Jahren bei einer längeren Wanderung in der Toscana beobachtet hatten. Wir hatten keine Ahnung von ihren giftigen Härchen und waren total fasziniert davon, wie die Raupen in langen Schlangen, im Gänsemarsch sozusagen, über einen Baum spaziert sind. Diese „Prozessionen“ geben den Raupen, die dann zu gleichnamigen Nachtfaltern werden, ihren Namen. Von unserer Wanderung heimgekehrt waren wir neugierig herauszufinden, was für Raupen wir da eigentlich beobachtet hatten. Schnell war klar, dass es sich um Eichenprozessionsspinner gehandelt haben muss. Wir waren etwas schockiert ob unserer Leichtsinnigkeit den Raupen so nahe zu kommen, aber heilfroh, dass keine der üblichen Symptome bei uns aufgetreten sind. Vermutlich war es noch zu zeitig in der Entwicklung der Raupen für die fiesen Härchen…
Ich hoffe ich habe mit diesem Einschub zu Eichenprozessionsspinnern nicht allzu große Panik gemacht! 😉
Drittens: Als wir einen alternativen Schlafplatz gefunden hatten, die Isomatten von Neuem aufgeblasen hatten und uns zum Schutz gegen möglichen Regen mit dem Tarp zudecken wollten, stellten wir entsetzt fest: Ich hatte gar nicht das Tarp, sondern das Tarp-Inlet, sozusagen das Innenzelt, eingepackt. Wie sollten wir uns mit einem Mosquitonetz gegen Regen schützen?! Tatsächlich stellte sich das Tarp-Inlet nach einiger Zeit aber als äußerst nützlich heraus, da uns die Gelsen mit ihrem penetranten Summen einfach nicht schlafen lassen wollten. Wir krochen also in das Inlet hinein, haben das Netz über den Kopf gezogen und konnten so schließlich doch einschlafen… Dass es in der Nacht kurz tröpfelte, war dann auch nicht wirklich ein Problem.
Am nächsten Morgen wachen wir auf, noch bevor unser Wecker läutet. Diesen hatten wir auf 04:45 gestellt um den Sonnenaufgang erleben zu können. Aber schon etwas früher werden wir von einem fröhlichen Vogelgezwitscher-Konzert geweckt. Wir fühlen uns so richtig frisch und munter, obwohl wir nicht besonders lange geschlafen haben. Die Luft ist angenehm kühl, am Himmel beginnen sich die Wolken zu verfärben, wir freuen uns über diesen Tag. Auch Kiwi ist bester Laune und möchte gleich zu spielen beginnen. Als wir beim Zähneputzen ein bisschen herumgehen, sehen wir zwei Rehe über eine Wiese springen. Bald kommt die Sonne hervor und ein herrlicher Morgenspaziergang liegt vor uns.
Nach etwa 12-13km und einem erfrischenden Bad in der Neuen Donau sind wir mitten in der Stadt angekommen und durchqueren den 20. Bezirk, als es beginnt zu schütten. Wir beschließen das letzte Stück mit der Straßenbahn zurückzulegen. Gegen halb 10 kommen wir bei meinem Papa zuhause an, ziemlich nass und schon etwas Frühstücks-hungrig, aber so richtig glücklich heute schon so viel erlebt zu haben.
Fazit: Kleine Abenteuer zu erleben, ist wirklich nicht schwer! Man braucht nicht viel Zeit, keine besonders tolle Ausrüstung (wenn was nass wird, kann man ja immer noch nachhause gehen), muss nicht besonders viel vorbereiten… man muss nur seine eigene Faulheit und Gemütlichkeit ein bisschen überwinden! 🙂 Und wenn man dann draußen ist und die Natur erlebt, fragt man sich, wieso man das eigentlich nicht viel öfter macht…