In 40 Bildern von Oxford nach Wien (Teil 2)

Hier folgt der zweite Teil unserer Bildserie zu unserer Radtour von Oxford nach Wien. Hier geht’s zum ersten Teil.

Pausen machen

Gerade bei dieser Tour haben wir bemerkt, wie wichtig Pausen sind. Und zwar Pausen ohne Programm – Einkaufspausen, Kochpausen, Stadtbesichtigungen zählen nicht so richtig. Einfach in der Wiese liegen, lesen, stricken oder in der Unterkunft am Sofa schlafen wirkt manchmal Wunder. Diese Einsicht mag euch vielleicht nicht so besonders überraschen, aber das Pausen machen war bis jetzt vielleicht der Aspekt von langen Touren, bei dem wir noch am meisten Verbesserungsbedarf bei uns gesehen haben.

Tagebuch schreiben

Im Alltag haben wir es noch nie geschafft, über einen längeren Zeitraum Tagebuch zu schreiben, aber wenn wir auf Abenteuern unterwegs sind, ist es uns immer ein Anliegen unsere Erlebnisse auch schriftlich festzuhalten. Es hilft dabei, das Erlebte zu reflektieren und später Erinnerungen bis ins kleinste Detail wieder wachzurufen. Vor kurzem erst habe ich, Mimi, im Tagebuch von unserer Tour von Oslo nach Wien gelesen und konnte mich beim Lesen an alle Einzelheiten des Tages erinnern – die Wege, das Wetter, meinen Hunger, das Mittagessen mit anschließendem Schläfchen im Schatten eines Baumes… – und das, obwohl ich nicht alle diese Details in meinem Tagebucheintrag beschrieben hatte. Beim Schreiben wechseln wir uns immer ab – ein Tag ich, ein Tag Martin – und es ist spannend, eine Beschreibung des gemeinsam Erlebten aus der Perspektive des anderen zu lesen, herauszufinden, was für den anderen an einem Tag besonders wichtig war.

Freunde besuchen

Ein Grund, warum wir nicht den direkten Weg von Oxford nach Wien gewählt haben, ist dass wir unterwegs einige Freunde, die wir schon länger nicht gesehen hatten, besuchen wollten.  So haben wir unsere Route eben durch Düsseldorf, Freiburg und München sowie Waldzell in Oberösterreich, wo Martins Verwandtschaft zuhause ist, gelegt. Während unserer Zeit in Oxford haben wir es jedes Mal sehr genossen, wenn wir Besuch aus der Heimat bekommen haben und so die Gelegenheit hatten, mehrere Tage am Stück mit Freunden oder Familie zu teilen und nicht nur besondere Aktivitäten sondern auch den Alltag gemeinsam zu verbringen. Genauso toll war es unterwegs mehrere Tage mit unseren Freunden zu verbringen, bei ihnen zuhause zu wohnen, gemeinsam zu kochen, ihre Umgebung gezeigt zu bekommen und einfach ganz viel Zeit miteinander verbringen zu können! Danke euch, falls ihr hier mitlest 🙂

Es wird Herbst

Als wir losgefahren sind, war es eindeutig noch Sommer. Als wir in Wien angekommen sind, ein herrlicher, goldener Herbst. Es war schön unterwegs diesen Übergang von Sommer in Herbst zu erleben. Die Felder zu sehen, von denen mit der Zeit immer mehr abgeerntet waren, das Verfärben der Blätter zu beobachten, zu spüren, wie die Tage kürzer und die Nächste kühler werden und die Luft so langsam ein erdiges, waldiges Aroma bekommt…

Abschied vom Rhein

Lange sind wir dem Rhein gefolgt, von Düsseldorf bis zum Bodensee, etwa 800km. Auf dem Weg haben wir unzählige Eindrücke vom Rhein gesammelt und von dem Radweg, der ihn begleitet. Beginnend mit dem breiten, mächtigen Rhein bei Düsseldorf und Köln, dem romantischen Mittelrhein, später seinen wilden Auen, dem Rhein als deutsch-französischem Grenzfluss, dem Rhein mit seinen pittoresken Häusern in der Schweiz, und schließlich dem mächtigen Rheinfall. Während unserer Fahrradfahrt wird er langsam, kaum merkbar, schmäler bis irgendwann die schweren Last- und Kreuzfahrtschiffe verschwinden und nur mehr Ruderboote am Ufer liegen.

Ein Wiedersehen mit den Alpen

Was für ein toller Augenblick, als wir auf der anderen Seite des Bodensees zum ersten Mal wieder die Alpen gesehen haben! So gut uns die englische Landschaft gefallen hat, die Berge sind uns doch abgegangen. Unser zweites Wiedersehen mit den Bergen gab es ein paar Tage später, als wir von Martins Verwandtschaft in Oberösterreich aufgebrochen und der Bergkulisse hinter Vöcklabruck entgegengefahren sind. Vor uns lauter bekannte Umrisse: der Schafberg, das Höllengebirge, der Traunstein, im Hintergrund der Dachstein… Ein atemberaubender Anblick, der uns so richtig das Gefühl gegeben hat, wieder zuhause zu sein.

Genuss

Auch wenn die Fahrt herausfordernde, schwierige, kalte Durchbeiß-Tage hatte, so war unsere Tour vor allem ein Genuss.

Der Genuss, an einem strahlenden Herbsttag die Felder entlang zu fahren, die leuchtenden Herbstfarben zu bewundern.

Der Genuss, am Wegesrand eine Pause zu machen, die Sonne im Gesicht zu spüren und Kekse zu naschen.

Der Genuss, nach einem Tag unterwegs vom Rad abzusteigen, das Zelt aufzubauen, ein Essen zuzubereiten, stolz zu sein auf die zurückgelegten Kilometer, der Sonne beim Untergehen zuzuschauen.

Zeltleben

Unser Tarp ist ein großartiges mobiles Zuhause. Es ist unglaublich leicht, stabil, schnell aufgebaut und für zwei Personen sehr geräumig. Man fühlt sich geschützt darin und wenn es regnet ist es herrlich, dem Prasseln auf der Zeltplane zuzuhören. Wenn wir einige Nächte drinnen geschlafen haben, haben wir uns immer schon wieder auf eine Nacht im Zelt gefreut, auf unser einfaches, aber gemütliches Zuhause. (Im Bild: Der Campingplatz mit der besten Aussicht, bei Friedrichshafen am Bodensee)

Route (neu) planen

Obwohl wir einen halbwegs genauen Plan zu Beginn unserer Tour hatten, wie wir von Oxford nach Wien gelangen wollten, hat es doch unterwegs reichlich Möglichkeiten und Notwendigkeiten gegeben Teile neu zu planen: war es aufgrund von Umleitungen, dem Wunsch nach einer Abkürzung oder dem Entschluss doch keine Fähre über den Bodensee zu nehmen. Aber genau das ist der Reiz einer solchen Radreise: die Freiheit jederzeit die Richtung zu ändern, schneller oder langsamer zu fahren, oder schlicht und einfach zu bleiben, wo es einem gerade gefällt.

Erstaunlich wenig Pannen

Unsere Radtour haben wir nahezu ohne Pannen absolviert: nur ein einziger Patschen, eine lockere Schraube und einmal  Altersbeschwerden bei Martins Gangschaltung, bei denen uns aber glücklicherweise ein sehr freundlicher Franzose geholfen hat (siehe den vorigen Eintrag, Hilfe von Fremden). Dass unsere Tour so reibungslos geklappt hat, war insofern besonders erfreulich, da unsere Räder zuvor zwei Jahre im Oxforder Stadtverkehr und Wetter im Einsatz waren. Daher Ehre wem Ehre gebührt: das habt ihr gut gemacht, liebe Räder!

Kulturprogramm in München

Unterwegs hatten wir keine fixen Termine, mit einer Ausnahme: dem Besuch des „Von wegen Lisbeth“-Konzerts in München am 8. Oktober. Die Karten hatten wir schon vor einigen Monaten gekauft und wir freuten uns schon darauf gemeinsam mit unserer Münchner Freundin A. auf das Konzert zu gehen. VWL ist eine Berliner Band, die wir noch nicht allzu lange hören und die während unserer Oxford-Zeit immer wieder für gute Laune gesorgt hat – Musik, die die Tanzbeine zucken lässt, witzige Texte, die auf originelle Art und Weise Liebeskummer und andere Dramen des Alltags behandeln und dabei gleichzeitig Facebook und andere Formen von social media kritisch beleuchten. Es wurde ein ausgelassener Abend, an dem wir viel getanzt haben!

Grenzenloses Europa

Auf unserem Weg von Oxford nach Wien haben wir unzählige Grenzen passiert und nur ein einziges Mal, nämlich beim Betreten der Fähre von Portsmouth nach Cherbourg, mussten wir unsere Pässe herzeigen. Die Grenzen zwischen Frankreich und Belgien, Belgien und den Niederlanden, den Niederlanden und Deutschland, Deutschland und Frankreich, Deutschland und der Schweiz, und schließlich Deutschland und Österreich konnten wir jedes Mal komplett ungehindert überqueren. An der Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland stehen zwar kleine, unbesetzte Zollhütterl, die einem den Grenzübertritt bewusst machen, aber sonst haben wir die Grenzen immer überschritten ohne es mitzukriegen. Als wir bei Braunau den Inn überquert und somit nach Österreich gelangt sind, mussten wir richtig nach dem kleinen Schild oben im Bild suchen! Toll, so ein grenzenloses Europa zu erleben! Vor allem vor dem Hintergrund der laufenden Brexit-Verhanldungen zwischen Großbritannien und der EU sowie der kriegerischen Geschichte Europas, an die wir unterwegs immer wieder erinnert wurden, ist uns deutlich bewusst, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Ein Ort an dem der Gedanke des gemeinsamen und friedlichen Europas besonders zu spüren ist, ist der Garten der zwei Ufer, einem grenzüberschreitenden Park zwischen Kehl in Deutschland und Straßburg in Frankreich. Die beiden Teile des Parks sind mit einer Fußgängerbrücke verbunden und laden zum Entspannen auf beiden Seiten des Rheins ein.

Wandern mit Lamas

In Waldzell, wo wir Martins Verwandte und auch seine Eltern getroffen haben, haben wir eine Wanderung der besonderen Art gemacht – eine Lamawanderung! Martins Cousine ist seit einigen Monaten Besitzerin von zwei stolzen Lamadamen, Laura und Magdalena. Sie haben ein unglaublich dichtes, weiches Fell, große, sanfte Augen, aber auch einen sehr starken eigenen Willen. Mit ihnen gemeinsam wandern zu gehen, ist eine ganz schöne Herausforderung und erfordert einiges an Geduld. Wenn am Wegesrand büschelweise frisch gemähtes Gras liegt, ist es alles andere als einfach ein Lama davon zu überzeugen weiter zu gehen… Mit Gewalt alleine kommt nicht weit, denn die Lamas sind große und starke Tiere. Also heißt es einen guten Moment erwischen, ruhig auf das Lama zureden, und dann zügig und bestimmt weitergehen. Wenn die Lamas dann unterwegs sind, ist es toll neben ihnen herzugehen, denn sie haben einen rythmischen und entspannten Gang. Wenn die beiden einmal trainiert sind, sollen sie übrigens zu Therapiezwecken mit Kindern eingesetzt werden.

Mittagessen mit Panorama

Das Mittagessen bei einer langen Radtour ist natürlich ein besonders wichtiger Tagesordnungspunkt. Ob kalt oder warm, schmecken tut das Essen auf jeden Fall. Und besonders gut schmeckt es, wenn man gleichzeitig noch eine schöne Aussicht genießen kann. Wir haben uns also immer bemüht hübsche Bänke zu finden mit Ausblick auf den Rhein, einen belgischen Kanal oder auch einfach auf die herbstliche Landschaft.

Goldene Wachau

Zu diesem Bild braucht man eigentlich gar nicht viel mehr sagen. Die herbstlich-leuchtende Wachau, die wir an unserem letzten langen Radtag erlebt haben, war wirklich ein opulenter Höhepunkt unserer Reise.

Bei unseren Familien ankommen

Unsere Fahrt von Oxford nach Wien hatte ja einen sehr konkreten Anlass: unsere Rückkehr von Oxford zurück in unsere Heimat. Wir konnten uns also besonders freuen, am Ende unserer Reise auch unsere Familien wieder zu treffen. Von Anfang an war für unsere Rückkehr ein Mittagessen mit unseren Eltern und Geschwistern und deren Partner geplant – und das war eine tolle Motivation und vor allem ein Grund für große Vorfreude. Denn ein gutes Essen in Gesellschaft unserer lieben Familien ist sicher die schönste Art das Ende einer solche Reise zu feiern.

Willkommensüberraschung

In Korneuburg hat uns eine ganz besondere Überraschung erwartet: eine verzierte Sachertorte mit zwei Radlern drauf! Mimis Papa hatte ausgerechnet, wieviele Sekunden wir für die Tour gebraucht haben und war ganz glücklich, dass der Konditor die Zahl korrekt auf die Torte geschrieben hat. Dafür hat er aber offenbar keine allzu genauen Anweisungen bezüglich des Aussehens der beiden Radfahrer gegeben… 😉 Lange hat die schöne Torte nicht gehalten, denn natürlich wollten wir sie sofort verkosten und haben Marzipan-Martin und -Mimi skrupellos geköpft!

Zuhause in Wien

Von Korneuburg nach Wien ist es ja nur noch ein Katzensprung. Die letzten etwa 20 km haben wir bei herrlich warmen Herbstwetter genossen und wir haben uns sehr gefreut auf einem vertrauten Weg unterwegs zu sein. Bald schon hatten wir den 8. Bezirk und unsere Wohnung erreicht. Dort hieß es erst einmal Wäsche waschen, mit dem Auspacken beginnen, „normale“, bürotaugliche Kleidung suchen und uns auf den Arbeitsalltag vorbereiten. Mimi hatte nämlich gleich am nächsten Tag eine Vorlesung in Krems zu halten und auch Martin hatte seinen ersten Arbeitstag an der TU. Wir wollten eben so lange wie möglich mit unseren Rädern unterwegs sein! Dafür mussten wir einen etwas krassen Wiedereinstieg in unser normales Wiener Leben in Kauf nehmen – der dann wenig Zeit dafür gelassen unsere Tour zu resümieren und uns wieder an das Stadtleben zu gewöhnen. Für die Zeit nach unserem Abenteuerjahr haben wir uns deshalb vorgenommen uns etwas mehr Zeit mit dem Ankommen zu lassen…

 

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